DON JUAN
Als Gestalt der europäischen Dichtung wie als Figur der internationalen Filmgeschichte: Don Juan ist eine langlebige, faszinierende Figur, die die Dichter und Filmemacher immer wieder zu neuen Erzählungen und Interpretationen herausgefordert hat. Ein Frauenheld, der ohne Maß das Leben genießt und doch keine Ruhe findet. Die Filmreihe DON JUAN lädt zum Vergleich von elf europäischen Produktionen ein, die die Don-Juan-Figur jeweils unterschiedlich gestalten. Entstanden in verschiedenen kulturellen und politischen Zusammenhängen bezeugen die ausgewählten Filme die produktive Kraft, die von der Don-Juan-Figur ausgegangen ist und die sie nach wie vor besitzt.
Eine Filmreihe in Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft der europäischen Kulturinstitute in Berlin / EUNIC Berlin
DON JUAN
Djävulens öga
Die Jungfrauenbrücke
S 1960, R: Ingmar Bergman, D: Gunnar Björnstrand, Jarl Kulle, Bibi Andersson, Nils Poppe, Gertrud Fridh, 87’ 35 mm, OmeU
Gott leidet an den Sünden der Menschen, der Teufel an ihrer Unschuld: So ist auch die Keuschheit der Pfarrerstochter Britt-Marie (Bibi Anderson), die demnächst zu heiraten gedenkt, dem Herrscher der Unterwelt ein gewaltiger Dorn im Auge. Verärgert entsendet Luzifer seinen Untertan Don Juan (Jarl Kulle) auf die Erde, dass der dem tugendhaften Mädchen noch vor der Eheschließung die Unschuld raube und ihn damit endlich von seinem Augenleiden befreie. Vergeblich sucht der alte Herzensbrecher, dessen Verführungskünste nach 300 Höllenjahren, nun ja, ziemlich angestaubt sind, die junge Braut auf die schiefe Bahn zu locken und ihren Glauben an ewige Liebe und Treue zu erschüttern.
Bergmans Film ist eine variantenreiche Demontage des Repertoires von Don Juan, dessen Werkzeuge angesichts des erwachten Selbstbewusstseins der Frauen lächerlich stumpf geworden sind. In den komödiantisch-frivolen Verwicklungen erlebt der Verführer schließlich seinen ultimativen Sündenfall: Er verliebt sich unsterblich in Britt-Marie. Die Strafe folgt postwendend: Don Juan wird von seinem enttäuschten Auftraggeber dazu verurteilt, ewig von dem Mädchen zu träumen. „Wenn das Gesetz der Komödie darin besteht, dem Teufel bei der Arbeit zuzusehen, dann ist dies eine vollkommene Komödie.“ (Lothar Müller, Süddeutsche Zeitung). (re)
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Schwedischen Botschaft Berlin und mit freundlicher Unterstützung des Schwedischen Instituts (SI). Mit Einführung am 22.2.2011 um 20.00 Uhr
DON JUAN
Don Juan, Karl-Liebknecht-Str. 78
DDR 1980, R: Siegfried Kühn, D: Hilmar Thate, Helmut Straßburger, Ewa Szykulska, Beata Tyszkiewicz, Hertha Thiele, 99’ 35 mm
Schauplatz des Films ist ein Stadttheater in der Provinz. Ein Gastregisseur aus Berlin inszeniert Mozarts Don Giovanni. Schwierig gestaltet sich das Wechselspiel zwischen dem professionellen Tun und dem privat-amourösen Erleben der beteiligten Künstler – vor allem zwischen dem Spielleiter Wischnewskij (Hilmar Thate) und den Darstellerinnen der Donna Anna (Ewa Szykulska) und der Donna Elvira (Beata Tyszkiewicz). In den Alltagsszenen spielen die Helden, als seien sie Protagonisten eines Stückes: eines Schwanks, eines Melodrams, einer Boulevardkomödie oder eines Liebesdramas. Sie benehmen sich, als wollten sie eine Rolle, die sie vor geraumer Zeit einmal irgendwo gesehen oder gar selbst gespielt haben, reaktivieren. In die Bühnenszenen wiederum fließen die Ströme des Alltags und des „wirklichen Lebens“ ein. Wischnewskij paradiert wie ein eitler Gockel durch die Stationen des Films. Von der eigenen Unwiderstehlichkeit ist er überzeugt. Erotische Erfolge langweilen ihn allerdings schnell. Allein wo er sich einen Korb einhandelt, sieht er „das Ideal der Frau“ noch lebendig – zumindest für eine Weile. Am Ende arrangiert sich Wischnewskij indes gern mit „realistischen Zweitbesetzungen“, da sie wenigstens seiner Männlichkeit schmeicheln. „Wer will, kann die Geschichte auch so sehen: Da verlischt einer, der nicht wahrnimmt, dass Frauen selbstbewusste und eigenständige Persönlichkeiten sind. Das Ganze in mehrfacher Verschränkung mit Probenarbeit und mit der Mozart-Oper“. (Günter Agde, Filmspiegel). (re)
am 23.2.2011 um 20.00 Uhr
am 6.3.2011 um 21.00 Uhr
DON JUAN
Don Juan Tenorio
E 1952, R: Alejandro Perla, Ausstattung/Kostüme: Salvador Dalí, D: Enrique Diosdado, Mari Carmen Díaz de Mendoza, José M. Rodero, Carmen Seco, Rafael Alonso, 110’ Digi Beta, OmU
Don Juan Tenorio beruht auf dem gleichnamigen, 1844 uraufgeführten Schauspiel in fünf Akten von José Zorrilla. Zorillas Stück spielt mit fantastischen Motiven und wurde sowohl seiner gewagten Figurenzeichnung wie auch der ungewöhnlichen Versform wegen von den späteren Surrealisten als Vorbild reklamiert. Für Alejandro Perlas Verfilmung entwarf Salvador Dalí Bühnenbild und Kostüme.
Der erste Teil des Films kommt als temporeiches Drama daher, lebt von Finten, Intrigen und Duellen. Kaum werden den Figuren, allen voran dem Titelhelden, auch nur kleinste Momente des Innehaltens gewährt. Psychologische Entwicklung, wenn es sie denn gibt, wird in physische Bewegung übersetzt, und Dalís Kostüme wirken in dem eitlen Treiben wie optische ‚Brandbeschleuniger‘. Im zweiten Teil des Films, als fünf Jahre vergangen sind, sehen wir einen nachdenklicheren und menschlicheren Don Juan. Er hat inzwischen geliebt und seine Liebe verloren. Auch seine Garderobe hat sich gewandelt.
Der Film Don Juan Tenorio, der erst vor einigen Jahren restauriert wurde, zeigt nach Ansicht des Psychoanalytikers José Guillermo Martínez Verdú auf großartige Weise die Synthese des Genies von José Zorilla und Salvador Dalí. Das Resultat: ein „befremdliches und seltsam schockierendes, barock-surrealistisches Werk“. (fl)
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Instituto Cervantes Berlin. am 25.2.2011 um 21.00 Uhr
DON JUAN
Don Gio
CZ 1992, R/B: Šimon Caban, Michal Caban, D: Karel Roden, Jaroslav Dušek, Chantal Poullain-Polívková, Václav Chalupa, Marian Roden, 96’ 35 mm, OmeU
Mit ihrer Tanztheatergruppe Baletní jednotka Křeč (Balletteinheit Krampf) haben die Brüder Šimon und Michal Caban seit 1991 eine Vielzahl von Theatervorstellungen, multimediale Veranstaltungen, Filmen und Fernsehproduktionen realisiert. Im Jahre 1992 schufen sie den expressiven Horrorfilm Don Gio: ein respektloses Filmexperiment, entwickelt als eine moderne Variation auf Mozarts unsterbliche Oper Don Giovanni.
Ein aus Italien angereister Produzent und der Darsteller der Titelrolle, Don Gio, kämpfen mit einem geizigen Theaterdirektor einerseits und einem weltfremden Spielleiter andererseits um die Zukunft der geplanten Opernproduktion. Vorlage und Figuren der Oper verschmelzen dabei mit dem Geschehen des Films zu einem unauflöslichen Puzzle von Drama, Tanz und Morbidität, wobei durch die spektakuläre musikalische und filmische Choreographie die ethischen Grundfragen des Don-Giovanni-Mythos schimmern. „Mozarts mitreißende Musik wird dabei in einem Maße be- und verarbeitet, dass der Komponist sich – nach dem erklärten Willen der Filmemacher – wohl unweigerlich im Grabe umdrehen müsste. Eine eigenwillige Antwort auf Amadeus, an dem die Gebrüder Caban als Assistenten Milos Formans beteiligt waren.“ (Roland Rust). (fl)
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit Tschechischen Zentrum Berlin. am 26.2.2011 um 19.00 Uhr
DON JUAN
Don Giovanni
A 1955, R: Walter Kolm-Veltée, D: Cesare Danova, Josef Meinrad, Evelyne Cormand, Marianne Schönauer, Hans von Borsody, 89’ 35 mm
„Es sollte kein Opernfilm, sondern eine Filmoper werden“, schreibt Günter Krenn in einer Programmankündigung des Filmarchivs Austria. Mit dieser Feststellung wird dem Bemühen des österreichischen Regisseurs Kolm-Veltée Rechnung getragen, die relativ statische Handlungsabfolge auf einer Singbühne zu dynamisieren. Die dabei entstandene Version des Don Giovanni kann guten Gewissens als turbulent bezeichnet werden, sind doch die Schauspieler und Sänger in steter Bewegung wie auch die ruhelose Kamera, die sich im farbenfrohen Idiom von AGFA-Color ausdrückt. Kolm-Veltées kinematografische Lösung für die Oper gliedert nicht nur den Gesang nach streng rhythmischen Gesichtspunkten, sondern überträgt diese auch auf die Choreografie: das Ballett der Wiener Staatsoper tanzt in den großen Ballszenen.
Die Haupthandlung wurde einerseits erheblich verknappt, andererseits um zahlreiche Degengefechte angereichert, die einen amerikanischen Rezensenten gar an Errol Flynn-Filme denken ließen – vor allem wegen einer wahrhaft atemberaubenden Verfolgungssequenz durch die Weinkeller, den Palast des Dons und die Straßen Sevillas, deren Anlage unweigerlich Erinnerungen an die Bilder von Goya und Velasquez wachruft. (fl)
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Kulturforum Berlin. am 26.2.2011 um 21.00 Uhr
DON JUAN
Don Giovanni
F/I/GB/BRD 1979, R: Joseph Losey, D: Ruggero Raimondi, John Macurdy, Edda Moser, Kiri Te Kanawa, Kenneth Riegel, 176’ OF
„Joseph Loseys Don Giovanni besticht durch die Konsequenz, die Geschichte mit filmischen Mitteln zu erzählen, ohne dabei auf Bühnenkonventionen Rücksicht nehmen zu müssen. Ort der Handlung ist das italienische Veneto, zu den Schauplätzen gehören Venedig, Villen von Palladio und pittoreske Landschaften.“ (Günter Krenn, Filmarchiv Austria). Regisseur Losey und Chefdirigent Lorin Maazel interpretieren Mozart deutlich düsterer als man ihn gemeinhin kennt, ein Konzept, das sich auch in der von Bass-Bariton Ruggero Raimondi verkörperten Titelrolle manifestiert. Diese Version des Stoffes – worin Venedig als ebenso lebendiger, wie verfallssüchtiger Hintergrund erscheint – machte sich auch virtuos Raimondis Grandezza zunutze, funktionierte sie aber um: Mit den Zügen dieses internationalen Star-Interpreten erschien Don Giovanni nicht mehr als ein vergnügter, sieghafter Frauenheld, sondern eher als kühler, grausamer Aristokrat. „Am Ende tritt an seiner Stirn eine Ader gespenstisch hervor. Man spürte: Todesfurcht legte sich wie eine Klammer um Don Giovannis Seele. Aber er ist zu stolz, von seiner Lebensform, von seiner Macho-Arroganz zu lassen.“ (Joachim Kaiser, Süddeutsche Zeitung).
Dem Film vorangestellt ist ein Motto von Antonio Gramsci, des Philosophen und Gründers der Kommunistischen Partei Italiens: „Das Alte stirbt, das Neue kann nicht entstehen – und aus diesem Interregnum erwächst eine große Vielfalt von Symptomen der Morbidität.“ (re)
am 27.2.2011 um 19.00 Uhr
DON JUAN
Don Juan / Don Giovanni: ein europäischer Mythos
Vortrag von Thomas Macho
Don Juan/Don Giovanni genießt die Freuden des Lebens, der Welt und des Fleisches. Während der unstillbare Wissensdurst des Faust diesen niemals zur Ruhe kommen lässt und der Ewige Jude Ahasaveros rastlos durch die Welt streifen muss, findet auch Don Juan/Don Giovanni keine Erholung, möge er auch noch so viele Frauengemächer erobern. Die erotische Erregung ist verschwunden, sobald er im Morgengrauen das Bett verlässt. Innerhalb des Christentums gehört Don Juan/Don Giovanni der katholischen Mythologie an, während Faust eher als eine protestantische Figur zu betrachten ist. Er ist ein Dämon, ein wollüstiger Geist, der die Reue vor dem Grab im Auge hat. Bis dahin aber kostet er das Leben aus. Das Fischermädchen Tisbea prophezeite ihm: „Denk, ein Gott ist über dir,/ Der im Tod den Frevler richtet!“ Darauf antwortet er: „Lange Frist gewährst du mir.“ Warum vor den Leckereien eines Banketts, das das Leben schenkt, zögern, wenn es noch einen letzten Atemzug gibt, um zu bereuen? Don Juan ist nicht irgendein Lüstling, denn er ist sich bewusst, dass über ihn ein Urteil gefällt werden wird. Er hinterfragt die calvinistische Doktrin der Vorbestimmung: Wenn alles für das Leben danach bestimmt ist, welche Bedeutung haben dann unsere Handlungsweisen in diesem Leben? Fausts Problem besteht in seiner Intellektualität. Don Juan/Don Giovanni muss diese Bürde nicht mit sich herumschleppen. Seine Triebfeder ist, nichts unversucht zu lassen. Am Ende singt der Chor: „Solche frechen Worte scheue:/ ‘O noch hab' ich lange Zeit!/ Der du trägst des Staubes Kleid,/ Kurz nur ist die Frist der Reue.’“ Worauf Don Juan antwortet: „Ich bin gesättigt/ heb’ die Tafel auf.“
Eintritt frei
am 1.3.2011 um 20.00 Uhr
DON JUAN
Don Juan
E/F/D 1998, R/B: Jacques Weber, D: Jacques Weber, Emmanuelle Béart, Denis Lavant, Penélope Cruz, Ariadna Gil, Michael Lonsdale, 104’ 35 mm, OmeU
Die Adaption von Molières Stück Dom Juan ou le festin de Pierre ist das Regiedebüt des Schauspielers Jacques Weber, der auch die Hauptrolle übernahm: Im Spanien des frühen 17. Jahrhunderts ist der Adlige Don Juan auf der Flucht vor zwei Brüdern, die ihre Schwester Donna Elvira (Emmanuelle Béart) rächen wollen – denn Don Juan hat dem Mädchen die Heirat versprochen, ohne im Traum daran zu denken, es auch einzulösen. Beim Versuch per Schiff zu entkommen wird dieses versenkt, und Don Juan überlebt nur durch die Hilfe eines Bauern (Denis Lavant). Unberührt von Anfechtungen jeglicher Art und eher aus schlechter Gewohnheit setzt Don Juan seine Eskapaden fort, die aber regelmäßig in Degenkämpfen und zunehmend desaströsen Fluchtversuchen enden.
Regisseur und Hauptdarsteller Weber setzt ganz und gar darauf, das Klischee des betörenden Herzensbrechers zu umschiffen: sein Don Juan ist weißhaarig, egoistisch und behäbig – ein Pantoffelheld, den die Zeit schon gehörig gezaust hat und dem es schlicht entgangen ist, dass seine große Zeit schon ein paar Jahrzehnte zurück liegt. (fl)
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Institut français Berlin. am 2.3.2011 um 20.00 Uhr
DON JUAN
Babel opéra, ou la répétition de Don Juan de Wolfgang Amadeus Mozart
B 1985, R: André Delvaux, D: José van Damme, Pierre Thau, Ashley Putnam, Malcolm King, 75’ OF mit ndl. + frz. UT
Am Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel studieren Sänger und ein Orchester unter der Leitung von Sylvain Cambreling eine Aufführung ein, während Karl-Ernst Herrmann, einst legendärer Bühnenbildner der Berliner Schaubühne, an den Feinheiten seiner Mise en scène arbeitet: ein Don Giovanni soll auf die Bühne gebracht werden. Herrmanns Produktion wurde in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre zu einem großen Hit des europäischen Musiktheaters.
Die belgische Lotterie feierte ihren 50. Geburtstag und möchte aus diesem Anlass der Kultur etwas massiver als sonst üblich unter die Arme greifen. Das Opernhaus soll davon profitieren, nicht nur materiell, sondern auch ideell: einen Film über die Oper, vor und hinter den Kulissen, möchte die Lotterie finanzieren, damit auch die Menschen in der Provinz oder die, deren Mittel nur für eine Kinokarte reichen, einmal den Duft der großen Gesangsbühne schnuppern können.
In Delvaux’ Film geht es um einen Filmemacher und Fotografen, der einen Don Juan-Film drehen möchte und nach Schauplätzen sucht: Sein Don Juan wird nicht ins Höllenfeuer stürzen, sondern in den flandrischen Mooren versinken. Die Vorbereitungen zu diesem ganz anderen Film-im-Film treffen sich aber immer wieder mit Herrmanns Don Giovanni-Produktion, die in hektischen Proben heranreift. (re)
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Delegation der Deutschsprachigen Gemeinschaft, der Französischen Gemeinschaft und der Wallonischen Region. am 4.3.2011 um 21.00 Uhr
DON JUAN
Don Giovanni
I 1971, R: Carmelo Bene, D: Carmelo Bene, Lydia Mancinelli, Vittorio Bodini, Gea Marotta, 90’ 35 mm, OmeU
Carmelo Benes schmales filmisches Werk – fünf Spielfilme und drei Kurzfilme zwischen 1968 und 1974 – wurde von den Cahiers du Cinéma vor einigen Jahren zu einer der radikalsten Entwicklungslinien des zeitgenössischen Kinos erklärt. In Benes Version des Don Giovanni nach Barbey d'Aurevillys romantisch-dandyistischer Erzählung Le plus bel amour de Don Juan gestaltet der Regisseur die Rahmenhandlung, worin der Comte de Ravila mehreren verflossenen Geliebten die Geschichte seiner schönsten Eroberung erzählt, auf rabiate Weise neu: Übrig bleibt die düster ausgemalte und ins Extrem überdehnte Pointe, dass den Liebeskünstler die bloß spirituelle Passion eines in religiösem Wahn befangenen Mädchens mehr erschüttert habe als alle sexuelle Wonnen vorher und nachher. Benes Don Juan ist ein geifernder und sabbernder, in seinem Stuhl festsitzender Stotterer, der unfähig ist, mit Frauen Kontakt aufzunehmen. Das begehrte Mädchen, das mit einem Rosenkranz an einem unerreichbaren Klavier sitzt, ‚verwandelt‘ sich in seiner Fantasie wiederholt in lasziv posierende Grazien. „Mit dieser Kritik an der katholischen Anti-Sex-Hysterie erreichte Bene seinen expressionistischen Höhepunkt mit überbordenden Bildern, dem spärlichen Einsatz von verstärkten Geräuschen, wie z. B. Atemgeräuschen, und wenigen Textfragmenten.“ (Marc Siegel). (re)
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Istituto Italiano di Cultura. am 5.3.2011 um 19.00 Uhr
DON JUAN
Spis cudzołożnic
Die Auflistung der Konkubinen
PL/F 1994, R: Jerzy Stuhr, D: Jerzy Stuhr, Preben Østerfelt, Jan Peszek, Dorota Pomykała, Stanisława Celińska, 64’ 35 mm, OmeU
Gustav (Jerzy Stuhr) arbeitet als Wissenschaftler an der Universität von Krakau. Eines Tages bekommt er von seinem Vorgesetzten die Aufgabe, einem schwedischen Professor die Sehenswürdigkeiten Krakaus zu zeigen. Doch der Kollege entpuppt sich als hyperaktiver Schürzenjäger, der sich weniger für polnische Geschichte, als für polnische Damen interessiert. Gustav kramt nun sein altes Adressbüchlein heraus in der Hoffnung, den Gast mit einer seiner früheren Freundinnen ‚verpartnern‘ zu können. Allerdings scheint es bald, als sei weniger der schwedische Kollege, als vielmehr Gustav selbst von seiner alten Bekanntschaft hingerissen.
Der Schauspieler Jerzy Stuhr ist seit den 1970er Jahren einer der wichtigsten und bekanntesten Theater-, Film- und Fernsehschauspieler Polens. International kam er vor allem mit seinen Rollen in Filmen von Krzysztof Kieślowski zu Ruhm. Zu Beginn seiner Karriere auf Rollen von Konformisten, Karrieristen und gerissenen Schurken spezialisiert, erweiterte Stuhr sein Spektrum um einen neuen Helden, der sich vom ahnungslosen Arbeiter zum selbstbewussten, sozial engagierten Menschen entwickelt. Die von Stuhr verkörperten Figuren wurden zunehmend mit einer sehr feinhumorigen Spielart angereichert, was man auch in Die Auflistung der Konkubinen, Stuhrs gefeiertem Regiedebüt, beobachten kann. (fl)
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Polnischen Institut Berlin.
am 5.3.2011 um 21.00 Uhr
DON JUAN
Don Giovanni
HUN 1983, R: Péter Halász, Gábor Dobos, K: Gábor Dobos, D: Péter Rácz, Borbála Major, Péter Halász, Péter Donáth, István Bálint, 53’ 16 mm
Diese experimentelle und kritische Version des Don Giovanni-Stoffes entstand schon Mitte der 1970er Jahre in Ungarn. Die Theatergruppe Kassak um Peter Halász durfte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr öffentlich auftreten, so dass es sich bei Halász’ Film um die filmische Dokumentation eines im Untergrund entstandenen Stückes handelt. Ein Duplikatnegativ des Films wurde außer Landes geschmuggelt, nachdem Halász und seine Theaterkompagnie 1976 ins Exil gegangen waren.
Im Tagesspiegel war in einem Nachruf auf den 2006 verstorbenen Halász zu lesen: „Halász gilt als Pionier der freien Theaterszene in Ungarn. Sein 1969 gegründetes Kassak-Theater erregte den Argwohn der kommunistischen Kulturfunktionäre. 1972 kam das erste Auftrittsverbot, worauf das Ensemble in den Untergrund ging und vor allem in Privatwohnungen auftrat. 1976 verließen Halász und seine Schauspieler das Land. Unter dem Namen Squat Theatre ließ sich die Truppe 1977 in New York nieder, wo sie bis 1984 tätig war und auch mit Andy Warhol zusammenarbeitete.“ Halász stand bis zuletzt für provokante Auftritte – noch einen Monat vor seinem Krebstod hatte er sich in einem gläsernen Sarg vor der Budapester Kunsthalle aufbahren lassen, um „zu sehen wie sich ein Begräbnis von der anderen Seite aus anfühlt“ (Halász in einem Interview mit der BBC). (fl)
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Collegium Hungaricum Berlin.
Mit Einführung
am 6.3.2011 um 19.00 Uhr
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